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Letztes gastliches Haus


J. R. R. Tolkien, der Autor von „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“, beschreibt das Haus des Elbkönigs von Bruchtal als „das letzte gastliche Haus“, das alle liebgewonnen haben und wertschätzen, die von dort zu ihren Abenteuern aufbrechen. Für Jesus war das Haus von Maria, Marta und Lazarus in Bethanien ein solches „letztes gastliches Haus.“ Die Liebe, die er für diese Familie empfindet, nimmt zutiefst aufopferungsvolle – Siehe Joh.11:8 - Gestalt an. Auch ist diese Geschichte eine äußerst anschauliche Illustration der Worte, die Jesus beim letzten Abendmahl zu seinen Jüngern sagt: „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“ (Joh. 15:13). Jesus war hier sozusagen als Teil der Familie regelmäßig zum Essen eingeladen (Lk. 10,38-42). Die Geschwister in Bethanien bereiten sechs Tage vor dem Pascha oder vor dem Leiden Jesu diesem ein Mahl.
Zu dieser Zeit hat Jesus schon gewusst, was ihm in Jerusalem passieren wird (Mk.10: 32): Allerhand Mühsal wird über ihn kommen; seine Jünger werden ihn verlassen; Petrus, sein erster Bekenner, wird ihn verleugnen; Judas wird ihn mit einem Kuss verraten. Unter einem anderen Blickwinkel betrachtet, fühlte sich Jesus nicht heimisch unter seinen Jüngern. Deswegen könnte es sein, dass er einige Tage vor seinem Leiden das Haus seiner Freunde besucht hat.
Da sehen wir, dass ihm Maria das Beste gibt, das sie hat. Maria verwendet einen ganzen Liter kostbarsten Salböls und wischt das auf die Füße Jesu herablaufende Öl mit ihren Haaren auf. Sie ist in auffälliger Weise und außerordentlich verschwenderisch. Diese verschwenderische Tat wird als anstößige Handlung sofort gerügt, ausgerechnet von dem Jünger (Joh. 12:4-5) – von einigen Jüngern (Mk. 14:4) -, der Jesus den Gegnern ausliefern wird. Aber Jesus ordnet sie als prächtige Tat ein, weil Maria, „der es am Nötigsten mangelt, ihren ganzen Lebensunterhalt hergegeben hat“ (Lk. 21:4). Vor allem erwähnt Jesus: Ihre Tat ist in tiefstem Sinn Totensalbung. Maria ist sich der Bedeutung ihres Tuns und somit des kommenden Todesgeschicks Jesu offensichtlich bewusst. In diesem Zusammenhang sagt Jesus: „Lass sie, damit sie es für den Tag meines Begräbnisses aufbewahrt!“ (Joh. 12:7). Irgendwo habe ich gelesen: „A friend is someone who knows the song in your heart“.
Jesus spricht dreimal über sein Leiden und seinen Tod mit den Jüngern (Mk. 8:31-33; Mk. 9:30-32; Mk. 10:32-34) und nicht einmal dann ist dagegen ihnen die Tragweite des Geschehens bewusst. Jesus kann in seinen Jüngern in harten Zeiten keine Zuflucht finden. So bleibt das Haus in Bethanien das letzte gastliche Haus für die hin- und hergerissene Seele Jesu. „Der Freund erweist zu jeder Zeit Liebe, der Bruder ist für die Not geboren“ (Spr. 17:17). Die drei in Bethanien haben sich bewährt; sie sind für Jesus Freunde in der Not.
Vergleichen wir die Szene in Bethanien mit der Szene sechs Tage später im Abendmahlsaal. Nach dem Lukasevangelium bittet Jesus Petrus und Johannes, das Paschamahl vorzubereiten. Das ist die Initiative Jesu (Lk. 22:8). Jesus wäscht die Füße der Jünger (Joh. 13:5). In seiner Todesangst sucht Jesus in Getsemani Zuflucht bei den Jüngern: „Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht!“ (Mk. 14:32) Jesus aber findet die Jünger schlafend. Die Freunde Jesu schlafen in dieser Situation! Was lehrt uns diese Geschichte aus dem Evangelium letztendlich?
Erstens: Leider wissen wir, dass es in dieser Welt Menschen gibt, die böse Absichten haben und nur vortäuschen, unsere Herzensfreunde zu sein. Aber sehr schwierig kann es für uns sein, unsere echten Freunde herauszufinden.
Zweitens: Als Christen und Jünger Jesu sind wir nicht auf uns allein gestellt. In der Gemeinschaft der Kirche sind wir Weggefährten, die in guten oder düsteren Zeiten miteinander durch das Leben ziehen. Wir sollen einander stützen, wenn wir müde oder in Not sind. Die Gemeinschaft im Gebet ist eine Kraftquelle, die uns spirituell stärkt. Es ist schön, in unseren Kirchenorten zu sehen, wenn das ganze Dorf, die Verwandten, der Bekanntenkreis bei einer Beerdigung da ist und den tiefen seelischen Schmerz der Angehörigen mitträgt. Das zeigt: „Ihr seid nicht allein gelassen in eurem Schmerz. Wir sind für euch da!“ Es macht uns Mut, wenn jemand vor einer schweren Prüfung sagt „Ich bete für dich!“ und vielleicht eine Kerze vor einem Marienbild für uns anzündet und uns so den Rücken stärkt.
Vielleicht sollen wir somit in vielen Bereichen unseres Lebens lernen, mehr aufeinander zu schauen, zu unterstützen wo jemand auf unser Gebet hofft und so seelischen Beistand erbittet. Am 20. März 2023 hat sich mein Neffe in Kerala in Indien einer Nierentransplantation unterzogen. Seine Mutter, meine Schwester, war der Spender. Die ganze Familie war vor der Transplantation seelisch hin- und hergerissen. In dieser Zeit habe ich oft verpasste Anrufe meiner Schwester auf Whatsapp gefunden. Wenn ich zurückgerufen habe, hat sie mir gesagt: „Wir sind ratlos, wie die Familie auf diese Situation reagieren soll, und mein Sohn ist vor Todesangst total verwirrt.“ Ich habe daraufhin einige Bekannte in einer Pfarrei in Deutschland gebeten, für die Familie meiner Schwester zu beten. Sie haben volle Unterstützung versprochen. Welch ein Trost dies für mich und für die Familie meiner Schwester war! Unbezahlbar ist die Hilfe von Freunden und Verwandten, wenn es etwas zu tun gibt, was einer aus eigener Kraft niemals allein schaffen könnte.
Es wäre schön, wenn wir ein letztes gastliches Haus für Flüchtlinge, für „Menschen im Niemandsland“, für ratlose Menschen usw. sein könnten! Es wäre schön, wenn wir in der Kirche eine Kerze für diese Leute anzünden könnten! Ihr Alltagsleben ist von Lähmung, Dunkelheit und Angst geprägt.


Euer/Ihr
Pater Dr. Sain Chandy Vadakkan CST

Pfarramt Aurach
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