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Speerfest in Rauenzell

Heute wäre… – Was bleibt!

Am Freitag nach dem Weißen Sonntag wird in Rauenzell traditionell das Speerfest gefeiert. Einst war es ein verbreitetes Votivfest der katholischen Kirche. In Rauenzell hat es jedoch eine besondere Ausprägung erhalten. Dazu später mehr.

 

Die Verehrung des Speeres und der Nägel Jesu Christi

Das Speerfest, mancherorts auch Lanzenfest genannt, erinnerte an die durchbohrte Seite Jesu am Kreuz. Im Johannesevangelium lesen wir dazu:

„Als sie (die Soldaten) aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite und sogleich floss Blut und Wasser heraus. Und der es gesehen hat, hat es bezeugt und sein Zeugnis ist wahr. Und er weiß, dass er Wahres sagt, damit auch ihr glaubt. Denn das ist geschehen, damit sich das Schriftwort erfüllte: Man soll an ihm kein Gebein zerbrechen. Und ein anderes Schriftwort sagt: Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben.“

Das „Fest von der Lanze und den Nägeln des Erlösers“, wie einst die offizielle Bezeichnung war, findet sich heute nicht mehr im Kalender der katholischen Kirche – wie etwa auch das Fest von der heiligen Dornenkrone. Hinter diesen Votivfesten steckt der Gedanke, dass das Leiden und der Tod Jesu kein tragischer Unfall war; Jesus war nicht einfach das Opfer böser Menschen, sondern durch seinen freiwilligen Tod am Kreuz hat er unsere Erlösung bewirkt. Und somit gelten auch die Lanze, die Nägel, die Dornenkrone etc. nicht nur als grausame Folterinstrumente, sondern als Gegenstände, durch die unser Heil erwirkt wurde. In diesem Sinn kann der Apostel Paulus schreiben: „Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen (Gal 6,14). Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft (1 Kor 1,18)“.

Wenn wir am Karfreitag des Todes Jesu gedenken, schauen wir zwar auch auf das Kreuz Jesu, aber mit dem Gefühl der Trauer. Darum haben sich andere Feste herausgebildet, an denen triumphvoll die Überwindung des Todes am Kreuz begangen wird: etwa die Feste der Kreuzerhöhung und der heiligen Dornenkrone oder auch das Speerfest. Wegen des inneren Zusammenhangs mit dem Tod Jesu wurde das Speerfest immer an einem Freitag begangen; wegen des fröhlichen, fast triumphalen Charakters fand es in der Osterzeit statt.

(Ganz ähnlich ist es auch mit dem Fronleichnamsfest: Der Gründonnerstag ist der Tag der Einsetzung der Eucharistie, doch dominiert in der Liturgie der Abendmahlsmesse der Verrat und die Auslieferung Jesu. Somit hat sich noch eine Art zweiter, fröhlicher Gründonnerstag herausgebildet – Fronleichnam! – , an dem nicht die Trauer, sondern die Freude über das Geschenk der Eucharistie im Mittelpunkt steht.)

 

Das Speerfest in Rauenzell

Dass das Speerfest in Rauenzell überlebt hat, hängt mit einem mittelalterlichen Hostienwunder, einer blühenden Wallfahrt und der Ruine St. Salvator im Steinbachwald zusammen. Am Karfreitag des Jahres 1353 soll ein Mädchen in Rauenzell die Hostie nach der Kommunion aus dem Mund genommen, eingesteckt und auf dem Heimweg fallen gelassen haben. Niemand konnte den Leib Christi vom Boden aufheben, erst der aus Eichstätt angereiste Weihbischof. Bald war von verschiedenen Heilungen an dieser Stelle die Rede, sodass es zu einer Wallfahrt kam. Kurze Zeit später wurde dort die Kirche St. Salvator errichtet. Eine Steinplatte mit einem Relief des im Grabe liegenden Jesus erinnerte an die Stelle, an der die Hostie zu Boden gefallen war. Noch heute befindet sich diese Platte in der Pfarrkirche Mariä Heimsuchung in Rauenzell (s. Bild oben). Im Mittelpunkt der Wallfahrt stand der leidende Christus – vermutlich, weil sich das Hostienwunder an einem Karfreitag ereignet hat. Den Hochaltar zierte entsprechend eine Kreuzesdarstellung. An den Tagen, die mit Leiden und Tod Jesu zusammenhingen, fanden sich bis zu 3000 Wallfahrer in St. Salvator ein. Im Zuge der Säkularisation wurde die Kirche – trotz Widerstands der Rauenzeller Gläubigen – im Jahr 1807/1808 abgerissen, das Speerfest wurde jedoch weiterhin gefeiert. In Rauenzell gilt der Tag bis heute als Schauerfreitag, an dem zur Ehre Gottes auf die Arbeit auf der Flur verzichtet wird, verbunden mit der Schauermesse in der Pfarrkirche. 2002 ließ der damalige Pfarrer Georg Härteis die Ruine St. Salvator wieder freilegen. Im folgenden Jahr segnete Bischof Walter Mixa ein neu errichtetes Kreuz in der Ruinenkirche. (Quelle: Alexander Biernoth: „Wallfahrtskirche St. Salvator wiederentdeckt und ausgegraben“)

 

Verehrung der Lanze heute

Auch wenn Votivfeste wie das Speerfest oder die Verehrung von Reliquien nicht mehr den selben Stellenwert haben wie in vergangenen Jahrhunderten, ist es auch heute lohnenswert, den dahinter stehenden Gedanken aufzugreifen: Leid und Tod haben nicht das letzte Wort in unserer Welt. Selbst auf den Karfreitag strahlt das Licht der Auferstehung zurück. Die Lanze, mit der einst grausam die Seite des Erlösers am Kreuz durchbohrt wurde, zeigt nicht nur die Abgründe menschlicher Grausamkeit, sondern sie verweist auch auf das offene Herz Jesu.

Einige Lieder im Gotteslob können dabei helfen, die glorreiche Seite des Leidens Christi zu betrachten:

  • Lied Nr. 294 („O du hochheilig Kreuze“)
  • Lied Nr. 771 („Heilig Kreuz, du Baum der Treue“)
  • Lied Nr. 772 („Heilges Kreuz, sei hochverehret“)
  • Lied Nr. 800 („Dem Herzen Jesu singe“)

Im Stundengebet hat die Kirche einst die heilige Lanze mit folgendem Hymnus besungen (hier in einer Übertragung aus dem Lateinischen von Johann Christoph von Zabuesnig, 1822):

Übe dich in frommen Bitten;
Mache, Mund, die Lanze groß,
Welche Christi Herz durchschnitten,
Wo sein Blut mit Wasser floss:
Schmerzhaft hat der Herr gelitten,
Der der Menschen Heil beschloss.
Dieser Speer, dem Lob gebühret,
Öffnet uns den Schatz der Welt:
Jesu Herz, das er berühret,
Hat zum Pfeile ihn gestählt.
Wer der Nägel Waffe führet,
Schlägt die Hölle aus dem Feld.
Süßer Speer, aus Gottes Seite
Sogest du das köstlich Blut.
Süße Nägel, der euch weihte,
Spricht für unsre Sünden gut:
Heilung bringt ihr im Geleite
Aller Welt, die Buße tut.
Schütze uns auf allen Wegen,
Lanze, gib uns Mut und Kraft:
Wenn wir streiten, gib uns Segen,
Triefens von des Herzens Saft:
Nägel, haltet fest dagegen,
Wenn der Schwachen Wut erschlafft.
Jesu, von den Höllenmächten
Machet uns die Lanze frei;
Und dein Nagel in der Rechten
Schaffet unsre Kräfte neu:
Gib, dass Siegen in Gefechten
Wirkung dieser Waffen sei.

 

Kaplan Sebastian Braun

Pfarramt Aurach
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